Forschungen in Apollonia (Albanien)
Apollonia, ursprünglich als korinthisch-korkyräische Kolonie gegründet, gehört zu den bedeutendsten antiken Städten an der Adria. Ihre verkehrsgeographisch hervorragende Lage unweit der Mündung des Aoos begründete die Prosperität der Stadt, die sich in Schriftquellen ebenso fassen lässt, wie in den Monumenten und materiellen Hinterlassenschaften. Die archäologische Erforschung der Stadt begann bereits vor rund 100 Jahren. Im Wechsel waren dabei österreichische, französische, italienische, sowjetische, amerikanische und albanische Archäologen beteiligt. Seit 1992 unternimmt eine französisch-albanische Equipe, aus der der »Atlas d’Apollonia« von 2007 hervorging. Dieser enthält einen Plan des neu vermessenen Stadtgebietes und fasst die bisherigen Forschungen zusammen.
Deutsch-albanische Forschungen in Apollonia
Eine 2006 gegründete deutsch-albanische Kooperation, unter Leitung von Henner von Hesberg und Bashkim Lahi, konzentrierte sich zunächst auf die Erforschung des Theaters, das in den 1970er Jahren freigelegt, aber nie abschließend publiziert worden war. Die Rekonstruktion und Geschichte dieses Baus stand im Zentrum der Forschungen, es ergaben sich aber darüber hinaus Fragen nach der Art der Stadtgründung und -erweiterung sowie nach den Einzelmonumenten.
Um den Ort in seiner Gesamtheit besser fassen zu können, schlossen sich eine Reihe weiterer Aktivitäten an: Die Untersuchung einer Nachbarsiedlung bei Babunjë führt zur Erkenntnis, dass die Kolonisierung der Ostküsten des Ionischen und Adriatischen Meeres einen vielschichtigen Prozess dargestellt haben muss, in dem neben den großen Kolonien weitere kleine Siedlungen zur Festigung der kolonialen Strukturen einbezogen waren.
Apollonia scheint sich in der Frühzeit auf ein Siedlungsareal am Fuße zweier Akropolen beschränkt zu haben und wies – wie Babunjë – enge Gassen und schmale, rechtwinklige Insulae auf. Belegt sind spätestens ab spätarchaischer/ frühklassischer Zeit verschiedene Sakralbauten auf den beiden Akropolen und in extraurbanen Heiligtümern, deren Ausstattung – z.B. Bauskulpturen der Gebäude –den Wohlstand der Stadt dokumentiert. Im Shtyllas-Heiligtum oberhalb des Flusshafens errichtete man, wie Untersuchungen seit 2021 zeigen, einen Peripteraltempel von ca. 20,10 m Breite und ca. 45 m Länge, der ein reichverziertes Marmordach erhielt. Die eine erhaltene dorische Säule des Tempels machte Apollonia bereits bei Reisenden des 18. Jahrhunderts bekannt.
In klassische Zeit fällt eine umfängliche Stadterweiterung, in der Apollonia auf eine Gesamtgröße von 100 ha anwuchs. Wie geophysikalische Messungen belegen, kontrastierte man die engen Verhältnisse der Oberstadt und schuf eine ungewöhnlich großzügig bemessene Unterstadt mit Insulae von 59 x 153,5 m. In hellenistischer Zeit wurde in Apollonia ein neues öffentliches Zentrum abseits der älteren Agora eingerichtet, das sich in mehrere künstliche Terrassen am Fuße der südlichen Akropolis gliederte. Nachgrabungen an einer Stoa und die Untersuchung einer sog. Amphorenmauer konnte diese Ausbauphase in das 3. Jh. v. Chr. datieren.
Das Theater von Apollonia
In dieser Zeit, im mittleren 3. Jh. v. Chr., errichtete man im Zentrum der Stadt eines der größten Theater im nordwestgriechischen und adriatischen Raum. Wie ein Scharnier passt das Gebäude in das Straßensystem zwischen Ober- und Unterstadt: Mit der Theaterachse wurde auf die Oberstadt Bezug genommen, die Breite der porticus post scaenam fügte sich in zwei benachbarte Straßenzüge der Unterstadt ein. Das Theater nahm eine natürliche Mulde an den Westabhängen der Stadt ein, die umfänglich durch Erdarbeiten verändert wurde, um einen regelmäßigen Zuschauerraum zu erhalten. Ältere Wohnbauten hatten dem neuen öffentlichen Bau zu weichen. Ferner wurde ein Drainagesystem eingerichtet, da Quell- und Oberflächenwasser eine Gefahr für die Stabilität des Gebäudes darstellten.
Die Bauphasen
Die zwischen 2006 und 2016 durchgeführten Grabungen haben sechs Bauphasen festgestellt. Der Phase 1 wird die Errichtung des Koilon mit einem Umfang von 120 m zugewiesen. Hauptsächlich aus den Raubgräben lässt sich der Grundriss des Bühnengebäudes rekonstruieren. Östlich war das Proskenion vorgesetzt. In Phase 2 wurde dem Bühnenhaus eine porticus post scaenam angefügt (Abb. 5). Ihre Breite von 77 m ging weit über die Breite der Skene hinaus. Dieser Hallenbau dürfte zusammen mit dem gewaltigen Zuschauerraum eine außerordentliche Wirkung auf Betrachter gehabt haben, die sich der Stadt von Westen her näherten. Das Theater war Teil einer spätestens in hellenistischer Zeit ausgebauten Stadtansicht.
In römischer Zeit sah das Gebäude zwei grundlegende Transformationen, die Gladiatorenwettkämpfe ermöglichten. In Phase 3 errichtete man eine hohe Balustrade zwischen Koilon und Orchestra, in Bauphase 4 wurde die Skene zugunsten einer größeren Arena abgetragen. Erdkeller und Eintiefungen sind Zeugen von temporären Installationen für diese Wettkämpfe. Nachdem in Phase 5 und 6 anstelle der Skene ein Ziegelbau errichtet und nochmals verändert wurde, ging die Theater-Arena von Apollonia im mittleren 3. Jh. n. Chr. zugrunde. Apollonia erlitt in dieser Zeit einen Niedergang, der wohl mit der Verlagerung des Aoos und damit dem Verlust der Anbindung an die Adriaküste einherging.
Literatur
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Weitere Informationen
Zum Projekt
www.dainst.org/projekt/-/project-display/32986
Projektleitung
Prof. Dr. Henner von Hesberg
Universität zu Köln
Archäologisches Institut
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
E-Mail
Prof. Dr. Bashkim Lahi
Qendra e Studimeve Albanologjike
Instituti Arkeologjik
Sheshi Nene Tereza
Tirane
E-Mail
Mitarbeiter
Manuel Fiedler (Grabungsleitung), Stefan Franz, Valentina Hinz (Bauforschung), Eduard Shehi, Brikena Shkodra-Rrugia, Klodian Velo, Gregor Döhner, Szilamér Pánczél (Grabungsmitarbeit und Fundbearbeitung).
Förderung
Dieses Projekt wird gefördert vom Deutschen Archäologischen Institut, Abteilung Rom, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.